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50 Jahre SCHWABYLON

Und alles, was davon übrig blieb, ist diese lausige Plastiktüte.

Es war der 8.11.1973 gewesen, ein Donnerstag, an dem das Schwabylon zum ersten Mal seine Türen öffnete. Donna Hightower war hier und hat gesungen – „der große Star des Eröffnungsabends“, wie die Süddeutsche titelte. Wer mit Rollschuhen kam, erhielt eine Überraschung. Ein passendes Schuhwerk für ein Gebäude, in dem es nur Rampen gab und keine Treppen. Die ausgefallensten Kostüme wurden prämiert.

Einkaufstüte Schwabylon, 1973
Leopoldstraße 200, München

„Schwabylon ist […] nicht nur eine bloße Ansammlung von Attraktionen und Kuriositäten, Schwabylon ist eine Idee. Sie ist ein Stückchen Zukunft […] eine ‚Stadt in der Stadt‘.“

Werbeblatt, „Schwabylon Nachrichten“, 3.11.1973, intervox, Stadtarchiv München 453/13


Und während die Leute ausgelassen feierten, klang Donnas größter Hit durch die Gänge: „The World Today Is A Mess“. 50 Jahre später sollte sie immer noch Recht behalten und auch damals schwang vielleicht eine leise Vorahnung mit. „Das ‚Schwabylon‘ hat sich in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs als allzu phantastisches Blendwerk erwiesen“, schreibt Simone Egger in ihrem Buch »München wird moderner«.
 
Der Ort ist Geschichte. Von Bulldozern 1979 platt gemacht. Er hätte wohl gut in unsere Zeit gepasst. Manche seiner Ideen klingen aktueller denn je – einen Ort zu schaffen, an dem wir unsere Differenzen überwinden und miteinander leben und feiern. Einen Safe Space! Die Erde dort vibriert immer noch.
 
Selbst die Einkaufstüte von damals wollte nicht liegen bleiben. Zuckte nervös. Plusterte sich auf, sobald sie den Grund berührte. Schleifte sich über den Boden, angezogen wie ein Magnet. Hin zur ehemaligen Agora. Hin zum Marktplatz. Zurück zu ihrem Bestimmungsort, für den sie geboren war. Die aufgehende Sonne, sie richtete sich auf, um noch einmal zu strahlen. Noch einen letzten Atemzug. Noch eine letzte Idee. Eine Idee, dass vielleicht nicht alles umsonst war. Vielleicht können wir sie noch gebrauchen? Die Leere füllen. Vielleicht können wir einen Drachen daraus basteln? Etwas, das fliegt. Fliegen kann. Der Platz mag Geschichte sein. Aber Plastik stirbt nie. Ideen sterben nie. Sie ruhen nur, bis jemand kommt, der sie wiederbelebt …
 
Der Kollektor, 8.11.2023

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